Jan Costin Wagner: Das Licht in einem dunklen Haus

Kurzzusammenfassung:
Turku, Finnland: Der verwitwete junge Polizist Kimmo Joentaa ist nach Jahren der Trauer wieder verliebt. In eine Frau, die kommt und geht wann sie will, und eines Tages einfach verschwindet. Außerdem ermittelt er in einem besonders mysteriösen Fall des Mordes an einer unbekannten Frau, die im Koma liegt, und deren Mörder Tränen an ihrem Bett hinterlassen hat …

Kurzleseprobe:
„Kimmo Joentaa lebte mit einer Frau ohne Namen in einem Herbst ohne Regen. Das Hoch wurde auf Magdalena getauft. Die Frau ließ sich Larissa nennen.“

Meine Meinung:
Wo fange ich nur an mit Jan Costin Wagner? Am Besten  damit, dass ich innerhalb von zwei Büchern ein schwärmender Fan von ihm geworden bin. Und das passiert mir beileibe nicht oft, zuletzt bei Gillian Flynn vor 2 (!) Jahren. Doch Jan Costin Wagners einfach formulierter und gerade dadurch so poetischer Stil, seine Liebe zu Finnland und zur Stille, seine Solidarität mit den Einsamen, den Melancholischen, den Verlorenen und vor allem sein Sinn für den Rhythmus der Sprache haben mich in „Eismond“, dem ersten Joentaa-Roman, überzeugt, und jetzt in „Das Licht in einem dunklen Haus“ begeistert.

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Ja, die Mordfälle, die sich im Lauf der Handlung quer durch Finnland fortsetzen, sind gut konstruiert. Der Fall eines Mörders, der um sein Opfer weint ist spannend. Das Ende ist meiner Meinung nach ein wenig arg schnell abgehandelt, doch das ist mir egal, denn um die akkurate Nacherzählung von Polizeiarbeit geht es in den Joentaa-Romanen (zum Glück) nicht. Es geht um die Stimmung, die erzeugt wird, und um das Ermittlerteam noch fast mehr als um den Fall.

Wer klassische Krimis liebt, wird mit Kimmo Joentaa möglicherweise weniger glücklich sein als ich es bin. Das Innenleben der Ermittler nimmt mehr Raum ein als die Action, Figuren werden in nur wenigen Sätzen zu Charakteren, über die man gleichzeitig wenig weiß und sie doch sofort wiedererkennt. Anstatt Prozeduralbeschreibungen gibt es wortkarge, oft schmerzhaft realistische Dialoge, die viel mehr über die handelnden Personen sagen als jede Beschreibung. Und genau deshalb sollte man sich von Jan Costin Wagner und seinen Romanen berühren lassen. Möglichst bald, möglichst viel.

Fazit:
Spannungsliteratur, im wahrsten Sinne des Wortes. Unbedingt lesen. Unbedingt. 

 

 

Kurzrezensionen: Kaltes Dorf und Fight Club

Meine lieben Blogbegleiter,

letztens ist es gar arg still hier geworden, denn es ist sehr viel los bei mir, und darunter leiden oft jene Dinge, die eigentlich richtig Spaß machen. Lesen zum Beispiel. Aber zwei erwähnenswerte Bücher habe ich trotzdem geschafft in den letzten Wochen. Hier kommen sie:

Kaltes Dorf von Billie Rubin

Inhalt: Die dritte Fall von Charlotte Braun, der ex-Kripo-Beamtin, die nun als Bodyguard arbeitet, beginnt „themenfremd“ mit der Beendigung einer Entführung durch Charlotte, deren Opfer sie selbst und ihre minderjährige Schutzbefohlene waren. Danach geht es zur Erholung ins „Knoblauchsland“. Doch neben der Idylle stößt Charlotte dort schon bald auf die Außenseiterfamilie Heldmann, die so einige düstere Geheimnisse hat. Geheimnisse, für die sich niemand im Dorf zu interessieren scheint. Charlotte beginnt eigenständig zu ermitteln und landet dadurch im Zentrum einer Familientragödie.

Warum lesen?
Trotz des schweren Themas fand ich „Kaltes Dorf“ leicht und schnell zu lesen, wollte immer wissen, wie es weitergeht. Die beklemmende Stimmung und die hoffnungslose Situation vor allem von Elisabeth Heldmann sind spürbar, ihre Handlungsweisen zwar schwer nachvollziehbar, aber doch zu Herzen gehend. So wird sie zu einer traurigen Sympathieträgerin in einer sonst geradezu abscheulichen Familie. Ihre Tochter Evi bleibt dafür zu sehr am Rande.

„Kaltes Dorf“ wagt sich an ein großes Thema, bleibt aber trotzdem „leicht verdaulich“. Vor allem die Atmosphäre in der Dorfgemeinschaft und auch der Einstieg in das Verhältnis von Elisabeth und ihrer pflegebedürftigen Mutter fand ich äußerst gelungen. Davon hätte ich mir noch mehr Passagen gewünscht.

Kaltes Dorf

Fight Club von Rob Palahniuk

Inhalt: Ein namenloser, von Schlafstörungen geplagter „Held“ verschafft der Sinnlosigkeit und Leere seines Lebens Erleichterung, indem er Selbsthilfegruppen unheilbar Kranker besucht und sich als einer der ihren ausgibt. Bis er eines Tages auf Tyler Durden trifft. Mit ihm gemeinsam gründet er den ersten „Fight Club“, in dem sich Gleichgesinnte Faustkämpfe bis zum Umfallen liefern, und die sich bald zur Untergrundbewegung entwickeln, die außer Kontrolle gerät

Warum lesen? Auch wenn ich – wie viele – den wirklich ausgezeichneten Film mit Graham Norton und Brad Pitt schon gesehen habe und damit den großen „Twist“ der Geschichte kenne: Dieses Buch sollte man gelesen haben und ist auch abseits der Überraschung im Plot interessant. Der Stil ist sehr reduziert, aber gerade dadurch poetisch. Man wird einfach weiter und weiter gepeitscht in der Geschichte, und so wie der namenlose Hauptcharakter hechelt man den rasch eskalierenden Ereignissen sehr bald ungläubig hinterher. Als Angehörige der Generation X (hüstel) erinnern mich die düstere Atmosphäre und passiv-aggressive Grundstory außerdem sehr an die Zeit des Grunge. Fehlt nur noch der Soundtrack von Nirvana. Es ist ein harsches, gemeines und in vieler Hinsicht brutales Buch – und gerade deshalb so lesenswert.

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Arno Geiger - Alles über Sally

Arno Geiger: Alles über Sally – Kurzrezension

Meine lieben Leser, wie Ihr vielleicht  bemerkt habt, poste ich hier relativ unregelmäßig. Und leider auch immer seltener. Meistens deshalb, weil sich mein Traumbild von der Länge und Qualität eines Blogartikels irgendwie nicht mit meinem Zeitbudget in Einklang bringen lässt. Ende vom Lied: Kaum Postings. Möh. Aber das muss nicht sein. Deshalb hab ich mich entschlossen, auch kürzeren Meinungsschluckauf zu Büchern hier loszuwerden. Ohne großes Aufhebens, einfach ein paar empfehlende Zeilen. Zu Büchern, die ich mochte, versteht sich. Ist das in Eurem Sinne? Ja? Dann kann’s losgehen!

Arno Geiger: Alles über Sally

Inhalt: Die Ehe zwischen Sally und Alfred ist 30 Jahre alt, und obwohl die beiden einander mögen, hat sich eben das Alter und der Alltag eingeschlichen. Dem versucht Sally mal wieder zu entfliehen – mit einer Affäre mit dem Nachbarn Erik.

Warum lesen? Nicht die von weitgehender Ereignislosigkeit geprägte Handlung treibt den Leser an, sondern der Ehrfurcht einflößende Stil von Arno Geiger. So viel Einfühlungsvermögen, so präzise Beobachtungen, schön und oft auch amüsant verpackt, dass es eine Freude ist. Und obwohl ich das zweite Drittel des Buches und auch den  inneren Monolog von Alfred gegen Ende eher langatmig fand, habe ich danach das Buch zufrieden zugeschlagen und mit Sally und Alfred gehofft, dass sie es auch durch die nächste Krise wieder schaffen.

 Arno Geiger - Alles über Sally

 

Peter Henning: Ein deutscher Sommer

Kurzzusammenfassung:

16. bis 18. August 1988. Zwei heiße Sommertage, die Deutschland und seine Medien verändern. Während das „öffentliche“ Geiseldrama von Gladbeck das Land in Atem hält, erfahren die Leben von 7 Deutschen eine mehr oder große Wendung, die mehr oder weniger mit dem Geiseldrama in Verbindung steht oder vor dessen Kulisse stattfindet.

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Adriana Popescu: Lieblingsmomente

Kurzzusammenfassung:
Partyfotografin Layla Desio ist fix mit einem erfolgreichen Mann liiert, hat ihr Hobby zumindest zum Brotberuf gemacht und ist Mieterin einer schönen Stuttgarter Wohnung. Ihre Träume und Luftschlösser von vor ein paar Jahren hat sie erfolgreich begraben. Eigentlich ist sie glücklich mit ihrem Leben. Eigentlich. Als sie jedoch den charmant-empfindsamen Tristan kennenlernt, ändert sich alles. Mit ihm lernt sie ihr Leben kennen, so wie es sein könnte. Doch all diese Lieblingsmomente mit ihm sind nichts anderes als Träumereien – und Tristan nur ein liebgewonnener Freund. Oder? Weiterlesen

Gillian Flynn: Gone Girl

Kurzzusammenfassung:

Am fünften Hochzeitstag des „all american couple“ Nick und Amy verschwindet die schöne junge Frau spurlos aus dem gemeinsamen Haus. Umgehend fällt der Verdacht auf Nick, dessen suspektes Benehmen auch nicht gerade zu seiner Entlastung beiträgt. Als dann ein Tagebuch der jungen Frau auftaucht, in dem ein weit düstereres Bild dieser Ehe gemalt wird als angenommen, kommt es zu einer regelrechten Medienhysterie. Was passierte mit der wunderbaren Amy? Und was sind Menschen einander anzutun in der Lage? Weiterlesen

Eva Menasse: Quasikristalle

Kurzzusammenfassung:
Streng genommen hat dieses Buch keine Handlung. Es besteht aus 13 Schlaglichtern auf das Leben einer einzigen Frau – Roxane Molin – durch die Augen jener Menschen, die mit ihr zu tun haben (und nur ein einziges Mal ist sie das selbst), und zwar zu verschiedensten Lebensphasen, vom Teenager bis ins Großmutteralter. Das sind beileibe nicht nur Personen, die „Xane“ nahestehen, sondern auch flüchtige Begegnung, ihr Vermieter, eine Kinderwunschärztin … Wie in einem Puzzle entsteht das Bild einer Frau, und wird doch nie vollständig. Weiterlesen

Friedrich Ani: German Angst

Kurzzusammenfassung:
(Hinweis: Text von der Droemer Knaur – Website) Christoph Arano, vor über 30 Jahren als Kind aus Nigeria nach Deutschland gekommen und Mitinhaber einer kleinen Installationsfirma, kommt mit seiner Tochter Lucy nicht mehr klar: Seit dem Tod ihrer Mutter wird das Strafregister der Vierzehnjährigen ständig länger. Da entführt eine rechtsradikale Gruppe die deutsche Verlobte Aranos, Natalia Horn, um die sofortige Abschiebung von Vater und Tochter zu erzwingen.
Die Diskussion um die erpresste Ausreise spaltet Polizei, Justiz und Öffentlichkeit in zwei Lager, ein Medienrummel ohnegleichen mobilisiert die Bevölkerung. Auf der Strecke bleiben Anstand, Vernunft und Menschenwürde, und Natalias Suche nach der absoluten Liebe nimmt ein jähes Ende. Weiterlesen

Susanne Ayoub: Engelsgift

Kurzzusammenfassung: 

Die von einer persönlichen Tragödie gezeichnete Autorin Marie Horvath stößt auf den Aufsehen erregenden historischen Kriminalfall der Karoline Streicher. Die engelsgleich schöne aber verschwendungssüchtige und habgierige Frau wurde 1938 in einem spektakulären Indizienprozess des Mordes von vier ihrer Familienmitglieder verurteilt und schließlich dafür  hingerichtet. Jetzt taucht Hermann Streicher, Karolines inzwischen greiser Sohn, bei Marie auf und behauptet, seine Mutter sei zwar ein menschliches Monstrum, aber keine Mörderin gewesen. Fasziniert von der Geschichte, geht Marie dem düsteren Geheimnis der Streichers immer weiter nach und merkt erst spät, dass ihre Rolle im Spiel von Hermann Streicher schon lange feststeht …

Susanne Ayoub Engelsgift

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Hanna Jameson: Kalter Schmerz (Something You Are)

Kurzzusammenfassung:

Die Geschichte von „Privatdetektiv“ (sprich Auftragskiller) Nic Caruana, der als Teenager unabsichtlich einen Mord begangen hat, und nun durch die Untiefen der Londoner Gangsterszene watet, hat Hanna Jameson schon mit 17 erdacht – mit 22 hat sie nun ihren ersten Roman vorgelegt. In ihm erhält Einzel- und Grenzgänger Nic den Auftrag, die Mörder der 16jährigen Tochter des Waffenhändlers Pat und dessen enigmatischer Frau Clare ausfindig zu machen. Dabei verliebt er sich nicht nur obsessiv in Clare, sondern hinterlässt auch eine Schneise der Gewalt – und am Ende bleibt die Frage, wofür das Ganze.

 Meine Meinung:

Bemerkenswert. Würde ich sagen, müsste ich meine Meinung über Hanna Jamesons Erstling in einem Wort zusammenfassen. Denn der Roman der Britin kommt so noir, so brutal, so blutig und fluchfreudig daher, er könnte auch von einem männlichen Autor Mitte Dreißig geschrieben worden sein. Die Welt, durch die sich Nic auf der Suche nach den Mördern der 16jährigen schlägt, ist gefühlskalt, mitleidlos und hält zwischen all der Trübnis nur kleine Funken von Wärme für den Endzwanziger bereit, meist in Form seiner schrägen Wohngemeinschaft mit dem folterlustigen Russlandimmigranten Mark oder der noch unklaren Affäre mit der drogenabhängigen Daisy . Natürlich ist auch seine Familie kein Rückhalt, sondern Quelle von Schmerz und Traumata. Und die ungesunde Affäre mit der manipulativen Clare führt Nic nur noch mehr ins Gefühlschaos. Wenn er denn welche hätte.

Klingt alles nach einem Buch, das man nicht lesen muss? Tut es auf jeden Fall trotzdem! Ich hatte mich in wenigen Tagen durchgefressen, denn die Geschichte hat – vom etwas schwerfälligen Ende mal abgesehen – richtig viel Tempo, und die vielen außergewöhnlichen Charaktere sind zwar nicht liebenswert, doch interessant und faszinierend. Dass es eine Fortsetzung geben wird, davon kann man ausgehen, und ich werde garantiert wieder einen Blick reinwerfen, denn ich bin gespannt, wie sich nicht nur Nic Caruana, sondern auch Hanna Jameson als Autorin entwickeln wird.

Fazit:
Hart, abgründig, schräg, teilweise ultra-brutal – und hypnotisch geschrieben. Ein außergewöhnlicher Noir-Krimi für alle, die mal was anderes suchen als das übliche Ermittler-Einerlei.

PS: Rezension bezieht sich auf die englische ebook-Originalausgabe „Something You Are“.