Peter Henning: Ein deutscher Sommer

Kurzzusammenfassung:

16. bis 18. August 1988. Zwei heiße Sommertage, die Deutschland und seine Medien verändern. Während das „öffentliche“ Geiseldrama von Gladbeck das Land in Atem hält, erfahren die Leben von 7 Deutschen eine mehr oder große Wendung, die mehr oder weniger mit dem Geiseldrama in Verbindung steht oder vor dessen Kulisse stattfindet.

Meine Meinung: 

Hut ab, Peter Henning. Kaum ein menschliches Drama (außer 9/11) wurde im deutschsprachigen Raum wohl so „hautnah“ über die Medien mitverfolgt wie das Gladbecker Geiseldrama. Ich selbst war zu dem Zeitpunkt 11 Jahre alt (und in Österreich) und kann mich trotzdem gut an die Ereignisse erinnern. So ein im kollektiven Gedächnis verankertes Drama als Roman aufzubereiten garantiert einerseits Aufmerksamkeit, andererseits  Polarisierung. Denn niemand geht unvoreingenommen an diese Geschichte heran. Zu viele persönliche Interpretationen, Erinnerungen und Emotionen stehen einer objektiven und manchmal auch differenzierten Kritik im Weg. Ich versuche es mal:

Das sich entwickelnde Drama von Gladbeck nur immer wieder einzustreuen, um es vor allem im Hintergrund der handelnden Personen spielen zu lassen, fand ich einen guten Griff. Die Geschichte dramatisiert einfach nachzuerzählen würde doch nur dieselbe Sensationsgier bedienen, die schon damals in die Katastrophe führte. Gerade die oft sehr banal wirkenden Dialoge zwischen Rösner und zB Hans Meiser illustrierten die ganze Monströsität der Situation sehr stark, ohne plakativ zu sein.

Die meisten der handelnden Charaktere interessierten mich, und die sehr detaillierte Beschreibung ihrer Lebensumstände ließen den Eindruck entstehen, man beobachtet sie im Fernsehen, ist bei jeder Regung dabei. Die Geschichte der zurückgezogenen Schriftstellerin Brigitte und der polnische Busfahrer Adam gingen mir hierbei am nächsten.

Womit ich meine Probleme hatte waren der Schreibstil und die schiere Menge an Figuren im Roman. Ich mag allgemein den „allwissenden“ Erzähler nicht gerne, da er für mich die Charaktere der Spannung beraubt. Außerdem ging es mir sehr oft viel zu stark ins Detail. Muss ich unbedingt vorgekaut kriegen, dass Himbeermarmelade dunkelrot ist? Das fand ich mühsam, genauso wie manche übermäßig bemühten Vergleiche/Metaphern, die auf mich unmotiviert und unpassend wirkten.

Die Menge an verschiedenen Personen führten auch zu Schwankungen in der Qualität und Dramaturgie der einzelnen Figuren. Während mir die Geschichten von Brigitte, Bertram und Adam zum Großteil gut gefielen, fand ich andere (Kirchner, Chris) lange eher durchwachsen bzw. enden sie im Nichts (was passiert mit den Todesdrohungen gegen Marc?). Ich finde, 2 oder 3 weniger Nebenhandlungen hätten das Buch leichter zu lesen, nachzuvollziehen und mögen gemacht.

Trotzdem: Wer sich für die Ereignisse von damals und  für einen ambitionierten, facettenreichen Roman interessiert, dem kann ich Ein deutscher Sommer von Peter Henning gut empfehlen.

Fazit: 

Sehr ambitionierter, interessanter Roman über die Banalität des Grauens, und wie wir damit umgehen. Stilistisch nicht so mein Ding, aber das ist ja Geschmackssache.

2 Kommentare
  1. Sylvia
    Sylvia sagte:

    Du hast das ausgedrückt, bei dem ich das Gefühl hatte, ich finde nicht die richtigen Worte und auch ziemlich rumgedruckst habe. Aber ich war durch die Sprache und manche der Personen hinterher so verwirrt und teilweise auch wirklich genervt (und bin es immer noch wenn ich darüber nachdenke), dass ich es nicht schaffe eine ordentliche Rezi zu schreiben. Die Idee des Buches an sich und wie es angegangen wurde finde ich jedoch auch eben ganz gut. Ich finde es schade, dass das Ganz „zur Hälfte geklappt hat“, weil man noch mehr hätte raus holen können.

    LG,
    Sylvia

    • Ellen Dunne
      Ellen Dunne sagte:

      Liebe Sylvia – vielen Dank für deinen positiven Kommentar. Es ist wirklich manchmal schwer auszudrücken, was genau an einem Buch einen persönlich nicht erreichen konnte. Freut mich, dass es mir in deinen Augen gelungen ist. Alles Liebe von der Insel!

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