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Nadine d’Arachart, Sarah Wedler: Nebelflut

Kurzzusammenfassung:
Vor 19 Jahren verschwand die 6jährige Amy Namara spurlos aus ihrem Elternhaus in Dublin. Nun sind ihre blutigen Kleider in einem Fluss aufgetaucht. Die Dubliner Kriminalpolizisten Brady und Seán Callahan verfolgen neue Spuren – und verdächtigen schon bald Amys damals 15jährigen Bruder Patrick, inzwischen angesehener Arzt. Doch Patrick hat seine eigenen Geheimnisse…

Meine Meinung:
Dieses Buch habe ich von den beiden Autorinnen für eine Rezension angefragt und erhalten – vielen Dank dafür, Nadine und Sarah! Vor allem das Setting in Irland hatte mich an dem Roman gereizt und die Frage, wie die beiden deutschen Autorinnen das wohl hinkriegen mit der Authentizität. Insofern war ich beeindruckt – die Atmosphäre des heutigen Dublin war sehr gut und glaubwürdig gemacht, es war kein Abhaken touristischer Sehenswürdigkeiten sondern es ging hinein in das Irland der „echten“ Iren.

Auch fand ich den Stil angenehm zu lesen – hätte ich mehr Zeit zum Lesen gehabt, ich wäre geradezu durch die leicht verdaulichen Kapitel gerutscht. Dazu trug auch bei, dass die Nebelflut abwechselnd aus der Sicht von Amys Bruder Patrick und dem jungen Polizisten Brady erzählt wird, unterbrochen von Rückblenden auf Amys Martyrium. So wurde es eigentlich nie langweilig.  Auch wenn ich bei einigen Wendungen vorher den richtigen Riecher hatte, habe ich mich beim Miträtseln manchmal doch gehörig vertan. Auch wenn ich kein ausgesprochener Krimifex bin, so nehme ich das als gutes Zeichen, dass Nebelflut auch für andere Leser für Spannung – und Überraschungen – sorgen wird.

Das Ende hat mich dann tatsächlich sehr überrascht – einerseits mit seiner ungewöhnlichen Düsternis und Unversöhnlichkeit, andererseits weil die Auflösung für mich nicht 100% glaubwürdig war (Details würden hier zu viel verraten) . Unglaubwürdig hat für mich zum Teil auch der junge Detective Brady agiert – seine Aktionen mit der Journalistin Chloe und während der Ermittlungen sind teilweise derart naiv, ja fast unfähig, dass sich meine Sympathie für ihn in Grenzen hielt.

Amys Bruder Patrick hingegen war – trotz seiner außer Kontrolle geratenden Drogenprobleme – meine „Lieblingsfigur“. Seine von Schuldgefühlen zerfressene Existenz ging mir nahe. Mal ganz abgesehen vom Schicksal der kleinen Amy selbst, deren Szenen ich gut gelungen fand.

Fazit:
Unterhaltender, rasanter, abwechslungsreicher Roman zum Miträtseln und mit einem unkonventionellen Ende, doch zum Teil unprofessionell agierenden Ermittlern.

Hanna Jameson: Kalter Schmerz (Something You Are)

Kurzzusammenfassung:

Die Geschichte von „Privatdetektiv“ (sprich Auftragskiller) Nic Caruana, der als Teenager unabsichtlich einen Mord begangen hat, und nun durch die Untiefen der Londoner Gangsterszene watet, hat Hanna Jameson schon mit 17 erdacht – mit 22 hat sie nun ihren ersten Roman vorgelegt. In ihm erhält Einzel- und Grenzgänger Nic den Auftrag, die Mörder der 16jährigen Tochter des Waffenhändlers Pat und dessen enigmatischer Frau Clare ausfindig zu machen. Dabei verliebt er sich nicht nur obsessiv in Clare, sondern hinterlässt auch eine Schneise der Gewalt – und am Ende bleibt die Frage, wofür das Ganze.

 Meine Meinung:

Bemerkenswert. Würde ich sagen, müsste ich meine Meinung über Hanna Jamesons Erstling in einem Wort zusammenfassen. Denn der Roman der Britin kommt so noir, so brutal, so blutig und fluchfreudig daher, er könnte auch von einem männlichen Autor Mitte Dreißig geschrieben worden sein. Die Welt, durch die sich Nic auf der Suche nach den Mördern der 16jährigen schlägt, ist gefühlskalt, mitleidlos und hält zwischen all der Trübnis nur kleine Funken von Wärme für den Endzwanziger bereit, meist in Form seiner schrägen Wohngemeinschaft mit dem folterlustigen Russlandimmigranten Mark oder der noch unklaren Affäre mit der drogenabhängigen Daisy . Natürlich ist auch seine Familie kein Rückhalt, sondern Quelle von Schmerz und Traumata. Und die ungesunde Affäre mit der manipulativen Clare führt Nic nur noch mehr ins Gefühlschaos. Wenn er denn welche hätte.

Klingt alles nach einem Buch, das man nicht lesen muss? Tut es auf jeden Fall trotzdem! Ich hatte mich in wenigen Tagen durchgefressen, denn die Geschichte hat – vom etwas schwerfälligen Ende mal abgesehen – richtig viel Tempo, und die vielen außergewöhnlichen Charaktere sind zwar nicht liebenswert, doch interessant und faszinierend. Dass es eine Fortsetzung geben wird, davon kann man ausgehen, und ich werde garantiert wieder einen Blick reinwerfen, denn ich bin gespannt, wie sich nicht nur Nic Caruana, sondern auch Hanna Jameson als Autorin entwickeln wird.

Fazit:
Hart, abgründig, schräg, teilweise ultra-brutal – und hypnotisch geschrieben. Ein außergewöhnlicher Noir-Krimi für alle, die mal was anderes suchen als das übliche Ermittler-Einerlei.

PS: Rezension bezieht sich auf die englische ebook-Originalausgabe „Something You Are“.