Friedrich Ani: Süden

Zusammenfassung:
Zurück in München erhält Tabor Süden als Detektiv den Auftrag, nach dem Wirt Raimund Zacherl zu suchen. Der Fall ist genau das Richtige für den ehemals so erfolgreichen Ermittler: Ein Mann verlässt sein Durchschnittsleben, und jeder fragt sich, warum. Mit seinen besonderen Methoden findet Süden die Spur des Wirts und verfolgt sie bis nach Sylt – und schon längst hat er begriffen, dass niemand den Mann wirklich kannte. (Droemer/Knaur)

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Meine Meinung:
Manche Menschen, dachte Süden, werden erst durch ihr Verschwinden sichtbar.

Ach, Friedrich Ani. Seine Romane lese ich meist mit einer guten Pause dazwischen. Einerseits, um ihren außergewöhnlichen und doch einfach zu lesenden Stil angemessen zu genießen. Anis Dialoge sind was vom Besten und Realistischsten, was ich je gelesen habe. Andererseits, weil sie mich immer so melancholisch, fast traurig machen. Tabor Süden sucht mal wieder nach einem Verschwundenen, und stößt dabei erneut auf eine derartige Menge glaubhafter, alltäglich desolater Existenzen, vernachlässigter Kinder, geplatzter Träume und implodierender Lebenslügengebäude, mir wird regelmäßig das Herz schwer. Desolat ist auch Tabor Süden selbst, der – gezeichnet vom frühen Tod seiner Mutter, dem Verschwinden seines Vaters (aha! psychologisches Motiv) und dem Selbstmord seines besten Freundes und Kollegen – diesmal in einen wahren Abgrund seiner Vergangenheit gezogen wird. Aber was sich jetzt nach einer kolossal deprimierenden Lektüre mit den üblichen Ermittler-Klischees anhört, kann ich nur wärmstens empfehlen. Denn Friedrich Ani umgeht konsequent ausgetretene Pfade, unterhält mit einem trotz seiner abgedrehten Art unheimlich zu Herzen gehenden „Helden“ und mit leisem, lakonischen Humor, den ich ganz wunderbar finde. Wer hier mithilfe von Leichenbergen, Verfolgungsjagden und Explosionen aus dem Alltag flüchten will – bitte weitergehen. Hier gibt es „nur“ die ganze menschliche Tragödie in einem intelligenten Krimi verpackt, den man nicht zu Seite legen kann und einen so schnell nicht wieder verlässt. Interessiert? Dann hereinspaziert … Tabor Süden wartet schon. Schweigend, versteht sich.

Fazit:
Friedrich Ani und sein Süden sind meine deutschen Krimihelden. Nachdenklich, herzzerreißend – und sehr spannend. Übrigens: Wer Tabor Süden noch nicht kennt, sollte vielleicht mit „Die Erfindung des Abschieds“ beginnen, dem ersten Tabor Süden Roman.